Das kleine Hügelkuppendörfchen Cocconato feiert jedes Jahr Anfang September in verwinkelten Gassen ein kleines feines Weinfest – unbeschmutzt vom Massentourismus.
Feiern in Kokosnusshausen
Cocconato– ja, das Örtchen heißt wirklich so! – Kokusnusshausen also liegt auf der Spitze eines der unzähligen piemontesischen Weinhügel. Wunderbare Aussicht. Allerdings logistisch gesehen ein denkbar schlechter Ort für ein Weinfest. Insbesondere da öffentliche Verkehrsmittel hier in der piemontesischen Provinz so selten sind wie Taxis. Also fährt man halt selber hin, tankt sich mit Wein voll, beruhigt den Magen mit Antipasti und schleicht besoffen die Serpentinen wieder runter.
Logistiklösungen
In Deutschland meldet sich auf die Frage “Wer fährt?” derjenige, der was gutzumachen hat, schwanger ist oder einfach derjenige, der den Kürzeren gezogen hat. In Italien meldet sich derjenige, der den Wein halt einfach besser verträgt oder dessen Auto eh schon Schrott ist…
Wer fuhr bei uns? Ich natürlich. Der Mann wäre zwar auch gefahren (“Das bisschen Wein stecke ich gut weg…”), aber die (deutsche) Vernunft siegte und so bot ich mich an.
Wir – Carlo, Schwester Würstel die auf Besuch war, Baby Secondo und ich – parkten gefühlte zehn Kilometer entfernt vom Ortskern.Carlo war der festen Überzeugung, das Fest ginge an der nächsten Ecke los und ließ sich von meinen Bemerkungen – “Der total verlassene Parkplatz lässt auf einen hohen geographischen Abstand vom Weinfest schließen…” – nicht aus der Ruhe bringen. Nunja, so hatte ich auf dem Rückweg wenigstens schön Platz zum Ausparken und Wenden, ohne den italienischen Kamikazefahrern in die Quere zu kommen. Allerdings hatte ich auch einen recht langen Fußmarsch vor mir, mit dem 9-Kilo-Baby im Stofftuch … Nun, was tut man nicht alles um den Mann glücklich zu machen.
Wein Wein und nochmals… Antipasti
Aber, was soll ich sagen, es hat sich gelohnt! Kokusnusshausen ist ein allerliebstes Hügelkuppendörfchen, das man eher in einem Hochglanz-Toskana-Prospekt als im hintersten Piemont vermutet. Die engen kopfsteingepflasterten Gässchen sind von alten Häusern gesäumt. Auf den kleinen Balkonen, die jedes Fenster einfassen und in alle verfügbaren Häuserecken geklatscht wurden, sitzen die Alten und starren Löcher in die Luft oder hängen Wäsche auf – unbeeindruckt vom Treiben in den Gassen: Wein Wein Wein und Antipasti Antipasti Antipasti. Barbera, Freisa, Arneis, Cortese, Nebbiolo, Malvasia, Moscato und Bruschetta, Brot mit Acciughe, Frittata, Lardo, Trippa- und Salsiccia-Platten, Salame- und Prosciutto sowie Käseteller, Agnolotti, Malvasiaplätzchen, Honig, Bunet, Haselnusscremes und Obstgelees, Gelato, Panna Cotta und Wasweißichnochalles. Das alles zwischen Salumerien, Latterien, Kunsthandwerkslädchen und Restaurants, die natürlich alle geöffnet hatten.
Vom Massentourismus unberührt
Das Weinfest Cocco Wine ist wie gemacht für gefräßige deutsche Touristen! Deshalb war ich sehr verwundert, als meine Frage nach dem Touristenaufkommen mit einem “pochi”, wenige, beantwortet wurde. Hier bleiben die Italiener weitgehend unter sich, Städter kommen aus Turin um Provinzluft zu schnuppern und die Alteingesessenen etwas aufzumischen, aber Amerikaner, Deutsche und Briten die in Horden die Toskana bevölkern? Nein, sucht man vergebens in Cocconato. Und überhaupt im Piemont.
Und so mischten wir uns also unter die lokale Bevölkerung – Schwester Würstel und ich als erkennbare deutschsprachige Fremdkörper im Strom der Italiener – und nippten an jedem Weinchen (der Mann und die Schwester) und naschten von jedem Tellerchen (alle). Für nur 12 Euro kauften die nichtautofahrenden Erwachsenen den Weinfest-Pass, der aus in schmucken blauen Halsbeutel inklusive Weinglas und acht Gutscheinen zur Weinverkostung besteht. Die Weingutscheine können an allen Ständen eingelöst werden.
Wein satt!
Wer sich nun fragt, ob acht Probefüllungen ausreichen – ja, tun sie! Der Mann und die Schwester waren guter Dinge, beschwingt vom Wein und in Probierlaune trank und fraß sich unsere kleine Festgesellschaft durch die Gässchen. Auf der Piazza, einem kleinen und schiefen Platz vor dem Bürgeramt, ruhten wir uns auf Holzbänken bei Wasser (muss man mitbringen oder aus den Weinglas-Spülstationen zapfen! ) und Agnolotti von den Festivalstrapazen aus. Die ausliegenden Flyer prahlten damit, dass Kokosnusshausen nicht nur am ersten Septemberwoche ein besuchenswertes Örtchen ist. Hier ist den ganzen Spätsommer und Herbst was los: Weiße Nächte, Mittelaltermarkt und als krönender Saisonabschluss ein Eselsrennen auf der kleinen Piazza!
Das schmucke Weinfest in Kokosnusshausen war für mich der Auftakt einer tollen Festivalsaison im Piemont. Eine Woche nach Cocco Wine findet der Festival delle Sagre in Asti statt, danach geht’s mit fünf Tagen Salone del Gusto in Turin weiter und zum Schluss haben wir noch das kleine Kürbis-Fest in Pera besucht.
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