REISEN & SPEISEN IM PIEMONT

Im Schweinewald

29. September 2016

Der Piemont wimmelt vor Käsereien und Salumerien. Unzählige Kleinbauern und Food-Handwerker, die mit großer Leidenschaft leckere Produkte herstellen. Im Bestreben, den Piemont kulinarisch zu kartieren stelle ich einige von ihnen vor. Den Anfang machen Luca Robino, der mit seiner Frau Susanna eine Zwei-Mann-Salumerie betreibt.

Ein Besuch im Schweinewald

Luca and Susanna

Luca und Susanna

Luca und Susanna besitzen einen kleinen Bauernhof, zwei Stück Wald und 35 Schweine. Aber Lucas Schweine haben nichts gemein mit den nackten fetten Tieren, die in Zuchtbetrieben dahinvegetieren und allein in Zeichentrickfilmen glücklich scheinen. Lucas Schweine sind bepelzt, flink und muskulös. Und frei.

Kinder und Mann gut durchgeschüttelt: Auf dem Weg zum Schweinewald

Kinder und Mann gut durchgeschüttelt: Auf dem Weg zum Schweinewald

Wir haben die Azienda Agricola Ciabot zufällig entdeckt und nach einem ersten Besuch gefragt, ob wir wiederkommen dürfen, um die Schweine zu sehen. Dürfen wir!

Tatsächlich organisiert Susanna regelmäßig kleine Touren für Kunden und deren Kinder zum Schweinewald. Also treffen wir uns vor der kleinen Farm, und rumpeln alle gemeinsam in Lucas altem Land Rover eine ausgetrocknete Straße lang in den Wald. Bei Regen verwandelt sich diese Straße in einen reißenden Fluß – das letzte Unwetter hat tiefe Rinnen und aufgeschwemmte nun in der Sommerhitze getrocknete Erdwälle hinterlassen. Also endlich mal ein Gelände, das eines Land Rovers würdig ist. In der Stadt scheinen diese Autos ja immer so fehlplaziert. Ebenso fehlplatziert wir Schweine in engen Gitterställen.

Alte regionale Rassen neu etablieren

Luca hat erst vor wenigen Jahren, 2013, die Schweinezucht begonnen. Mit dem Ziel, alte Rassen wieder zu etablieren.

 „Eigentlich wollten wir eine alte piemontesische Rasse züchten: Die Razza Cavour. Robuste Tiere, wie geschaffen für das Leben im Wald“, sagt Susanna, „Aber die gibt es leider nicht mehr.“

Tatsächlich ist diese Rasse so alt, dass eine google-Suche nur noch schwarz-weiß-Bilder ausspuckt. Darauf sieht man lange schlanke Schweine, mit dunklem Körper und weißen flappigen Ohren und Beinen.

Glücklicherweise startete die Universität Turin ein Rückzucht-Programm und Ende 2016  werden Susanna und Luca die ersten Cavour-Schweine ins Gehege aufnehmen. Diese sollen immerhin 70 % der Gene ihrer Vorfahren aufweisen.

So lange aber die Cavours noch nicht da sind, teilen sich zwei andere Rassen die auf zwei Hektar verteilten Waldstücke: 32 Neri di Parma – schwarze Schweine aus der Region Parma – und drei rotborstige Duroc  genießen bei Wind und Wetter Schlammkuhlen, Sandbäder und schattige Baumgruppen.

Ein würdigeres Schweineleben

Lucas Neri und Duroc lassen sich Zeit beim Wachsen. Innerhalb von 14 bis 16 Monaten fressen sie sich in den Wäldern durchschnittlich etwa 180 Kilogramm an. Dabei fressen sie, was Luca und Susanna anbauen oder notfalls dazukaufen: Gerste, Soja, Sonnenblumen, Mais und auch Äpfel, Zucchini oder Kaki aus dem großen Obst- und Gemüsegarten. Lucas bringt von September bis Mai jeden Monat zwei Schweine zum Schlachter ins Nachbardorf.  Alle zwei Jahre kauft Lucas einen neuen Eber, um das Blut frisch zu halten. Eber und Sauen dürfen sich dann ohne Zutun des Menschen der Schweineliebe hingeben.

Zum Vergleich: die rosafarbenen Mastschweine in der Massentierhaltung werden durch künstliche Besamung erzeugt, früh der Sau entrissen und innerhalb von einem halben Jahr in engen Käfigen (etwa ein Quadratmeter pro Tier) auf ein „schlachtreifes“ Gewicht von 110 Kilo gepusht. Nach einem Horrortrip über oft Hunderte von Straßenkilometern werden sie dann im Jugendalter geschlachtet.

Vom Stadtkind zum Salamibauern

Luka wuchs in der Stadt auf und betrieb das Winzern auf der Farm seines Großvaters als Hobby. Dann kam das Wursten dazu: In mehreren Kursen erlernte er das Handwerk und durch Trial-and-Error entwickelte er eigene Rezepte.

„Das war anfangs schon ganz schön viel Error…“, sagt Susanna.

Doch nach und nach hat Luca seine Rezepte verfeinert und versucht mit möglichst wenig Zusatzstoffen auszukommen. Anfangs kauften er Fleisch, doch schon bald war er damit nicht zufrieden. Er wollte Fleisch von freien Tieren, Fleisch von alten Rassen. Und dann entschloss er sich, die Farm des Großvaters zu übernehmen und verließ Turin. Auch Susanna war froh, ihren Bürojob hinter sich zu lassen. Sie richteten den Wald her und kauften ein paar Neri und Duroc. So fing es an.

sal8

Messersammlung

sal9

Stiefel für die Wursterei

Und nun hängt die Decke der Kühlkammern voll von der eigenen Salami von den eigenen Schweinen.

Susanna hat eine Homepage für die Salumeria gebastelt und benachrichtigt Kunden per Newsletter, wann die frischen Produkte wie Fleisch und wann diverse Spezialitäten wie Culatello und Porchetta ausgereift und somit verkaufsfertig sind. Dann macht sie einen Termin mit den Kunden aus, zuhause oder auf einem der Märkte in der Umgebung.

Nicht nur Fleisch

Noch verkaufen Luca und Susanna nur auf den regionalen Märkten, an ein oder zwei Restaurants und an Kunden, die zufällig vorbeikommen – so wie wir. Außer uns gab es dieses Jahr nur einen anderen ausländischen Kunden (einen Österreicher).

Nächstes Jahr soll es aber auch auf der Azienda Agricola Ciabot selbst einen Verkaufsraum geben, der auch an Nicht-Markttagen geöffnet ist und in dem Kunden neben Salami, Lardo, Porchetta etc. auch Wein, Grappa, Sidre von Lucas Weinhügel und diverse Konfitüren und Soßen aus dem hauseigenen Gemüsegarten kaufen können.

Wer also in der Gegend ist: Ein Besuch lohnt sich. Wir kommen auf jeden Fall nächstes Jahr wieder, schauen uns die neuen alten Schweine an und nehmen ein paar Salume mit.

Oben: Schweine im Himmel. Unten: Himmel aus Schweinen.

Oben: Schweine im Himmel. Unten: Himmel aus Schweinen.

 

 

 

You Might Also Like

No Comments

Leave a Reply

wp-puzzle.com logo